Lucas, woran forschen die Teams eures Instituts?
Lucas: Wir widmen uns mit unserer Forschung der Entwicklung von natürlichen Biokunststoffen sowie deren Verarbeitung. Außerdem ist Recycling für uns ein Fokusthema – von Biopolymeren genauso wie von herkömmlichen Kunststoffen. Des Weiteren untersuchen wir unter anderem Möglichkeiten für die Planung eines umweltgerechten Recyclingdesigns oder die Erstellung von Treibhausgas-Bilanzen.
Um Kunststoffe zukunftsfähiger zu gestalten, müssen Lösungen her, um den Anteil des neuen Rohmaterials oder Frischmaterials zu senken. Welche Möglichkeiten gibt es dafür?
Lucas: Zum einen können Restmaterialien, die bei Produktionsprozessen anfallen, oder Abfallstoffe wiederverwendet werden. Zum anderen kann der Anteil an Neumaterialien reduziert werden durch den alternativen Einsatz von biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Hier muss man genau hinsehen, wie die Herstellung erfolgt und was im Einzelfall die nachhaltigere Methode ist. Um ehrlich zu sein liegt allerdings auch noch ein Weg vor uns, bis wir von einer komplett nachhaltigen Kunststoffbranche reden können. Doch die Ansätze sind da und werden in der Forschung sowie von einigen Unternehmen mit hoher Geschwindigkeit weitergetrieben.
Gerade, wenn man an die Wiederverwendung alter Materialien denkt, könnte man meinen, dass sich hier leicht Potenziale bergen lassen und das zu einem günstigen Preis. Denn es wird ja schließlich auf Abfallstoffe zurückgegriffen. Ist das so oder wo liegen die Herausforderungen?
Lucas: So einfach ist es leider nicht. Hinter der Wiederverwertung von Abfallstoffen stehen aufwendige Prozesse für die Rücknahme, Reinigung und Wiederaufbereitung der Materialien. Diese müssen eine bestimmte Qualität besitzen und dürfen die Materialeigenschaften nicht beeinträchtigen, zum Beispiel die Langlebigkeit oder Sicherheit eines Produkts. Unternehmen müssen zusätzliche Ressourcen für die Forschung sowie Versuche einsetzen, um Herstellungsprozesse anzupassen und sicherzustellen, dass das Produkt trotz anderer Materialzusammensetzung die gleichen Qualitätsanforderungen erreicht. Darüber hinaus ist gutes Recycling-Material rar und durch den beschriebenen Aufwand oftmals teurer als die fossilen Neumaterialien.
Andreas, welche Rolle spielt Kreislaufwirtschaft bei REHAU?
Andreas: Für uns ist die Kreislaufwirtschaft eines der wesentlichen Handlungsfelder. Die kontinuierliche Steigerung des Anteils an Recycling-Material in unseren Produkten ist eines unserer wichtigsten Ziele. Was viele gar nicht wissen: Bei REHAU gibt es bereits seit den 50er Jahren interne Kreisläufe. Um Kosten zu sparen und Ressourcen zu schonen, wurden Altmaterialien aus Produktionsprozessen eingesammelt, aufbereitet und für die Herstellung neuer Produkte verwendet. Dadurch greifen wir auf eine lange Erfahrung in Sachen Aufbereitung von Produktionsabfall und dessen Wiederverwertung zurück. Gleichzeitig arbeiten wir schon viele Jahre gemeinsam mit Partnern daran, auch externe Kreisläufe zu schließen. Bei unserer Division REHAU Window Solutions enthalten mehr als 60 Prozent der gesamten Produktions-Tonnage einen Rezyklatanteil. Dieser Rezyklatanteil liegt bei bis zu 80 Prozent und wird kontinuierlich erhöht. Weiter Beispiele sind erste Rücknahmekonzepte unserer Bereiche Building Solutions und Interior Solutions.
Sind die angesprochenen Herausforderungen bei REHAU auch ein Thema?
Andreas: Ja, allerdings. Der Recycling-Markt ist hart umkämpft, sehr kleinteilig und intransparent. Material mit ähnlicher Spezifikation ist nur zu einem Teil verfügbar und es ist zu erwarten, dass die Nachfrage weiter zunehmen wird.
Dominic: Eine weitere Herausforderung ist die Qualität: Wir stellen technisch und optisch anspruchsvolle Produkte her, für die wir Rezyklat in entsprechender und konstanter Qualität benötigen. Recycling-Material kann je nach Quelle verunreinigt sein oder mit farblichen Einschränkungen einhergehen. Außerdem ist die Verfügbarkeit an hochwertigem Material begrenzt.
Dominic, ihr seid eine zentrale Entwicklungseinheit innerhalb des Unternehmens. Woran arbeitet ihr genau?
Dominic: Wir arbeiten an neuen Ansätzen auf Basis von Material und Technologie, um damit andere Bereiche bei der Weiterentwicklung ihrer Produkte zu unterstützen. Für uns steht dabei der Mehrwert für unsere Kunden im Vordergrund, gezielt zu technologischen Innovationen beizutragen. Ich bin Teil des Spezialisierungsbereichs Recycling. Unser Fokus liegt auf der Qualifizierung geeigneter Recycling-Materialien für den Einsatz in bestehende oder neue Produkte. Darüber hinaus sehen wir uns neue Recycling-Technologien vom mechanischen bis zum chemischen Recycling an oder bewerten den Einsatz alternativer nachhaltiger Materialien, beispielsweise in Form von biobasierten Rohstoffen. Wichtig ist, dass die kreislauffähige Gestaltung der Produkte von Anfang an mitgedacht wird.
Wie kann man das berücksichtigen?
Dominic: Kreislaufwirtschaft beginnt bereits, wenn das Produkt noch gar nicht existiert, schon in der Entwicklungsphase. Denn bereits hier sollten die weiteren Stationen im Lebenszyklus entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden: Welche Materialverbunde sind notwendig? Wie langlebig sind die eingesetzten Materialien? Wie kann die Fülle an unterschiedlichen verwendeten Materialien reduziert werden?
Andreas: Um das zu berücksichtigen haben wir bei REHAU sogenannte Circular Design Principles und eine Circular Scorecard entwickelt. Das sind Konzepte, die verschiedene Kriterien aufschlüsseln und dabei helfen, Schritt für Schritt zu überlegen, wie das Produkt, aber auch die unterstützenden Prozesse nachhaltiger und kreislauffähiger gestaltet werden können.
Wie wichtig ist Austausch und Zusammenarbeit?
Dominic: Wir sind immer offen für neue Denkansätze. Dafür braucht es die interne Zusammenarbeit, die intensive Diskussion mit Kunden und Lieferanten, aber auch den Austausch mit Experten und Expertinnen aus der Wissenschaft wie zum Beispiel dem Polymerinstitut in Hof. Gerade im Recycling ist außerdem ein großes Partnernetzwerk entlang der Wertschöpfungskette enorm wichtig, um Recycling-Materialien in benötigter und gleichbleibender Qualität zu sichern und Materialkreisläufe zu schließen. Wir arbeiten täglich daran, dass diese Verbindungen noch stärker zusammenwachsen.
Andreas: Egal, wovon wir in Bezug auf Nachhaltigkeit sprechen, es gelingt immer nur gemeinsam. Dafür braucht es innerhalb und außerhalb des Unternehmens die entsprechenden Strukturen und eine offene Kultur, um die interne und externe Vernetzung sowie den Wissensaustausch voranzutreiben.
Wie denkt ihr, wird sich die Zukunft der Kreislaufwirtschaft in der Polymerindustrie entwickeln?
Andreas: Wir sehen, dass die Anforderungen in Form von Regularien und Normen weiter steigen werden. Gleichzeitig wächst das öffentliche Bewusstsein und nachhaltige Praktiken werden verstärkt eingefordert. Die Akteure werden noch enger zusammenarbeiten müssen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Der Einsatz von Recycling-Material ist dabei nur ein Zwischenschritt. Zukünftig werden Dienstleistungen zur Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten deutlich an Bedeutung gewinnen.
Dominic: Der steigende Bedarf an Recycling-Material wird Innovationen und Investitionen in dem Bereich noch stärker fördern. Aus technischer Sicht werden sich bestehende Recycling-Prozesse weiterentwickeln und alternative Verfahren wie das chemische Recycling etablieren. Außerdem wird meiner Meinung nach das nachhaltige Produktdesign noch weiter in den Vordergrund rücken. Unternehmen müssen sich von vorneherein stärker Gedanken zu kreislaufrelevanten Fragen machen und dahingehend mehr Verantwortung übernehmen.
Lucas: Ich denke, die Forschung an Materialalternativen und Wiederverwertung wird mit großen Schritten vorankommen und es wird ein flächendeckendes Umdenken in der Branche stattfinden. Die Nutzung und die Möglichkeiten von Biokunststoffen und Recycling-Materialien werden drastisch zunehmen. Kreislaufwirtschaft wird kein erklärungsbedürftiger Begriff mehr sein, sondern der Standard, um die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft Stück für Stück voranzutreiben.